Viva la Bürokratie: Bremer Wirtschaft lauscht den Debatten über das „Lieferkettensorgfaltspflichten-Abschaffungsgesetz“
Der Streit läuft bereits solange, wie das Wortmonstrum selbst lang ist. Zunächst ging es um das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das auch und gerade in der Hansestadt Bremen für Unmut in der Wirtschaft gesorgt hatte. Unbesehen dessen wurde es im Bund bestätigt. Neuer Kanzler, neues Glück. In der erneuten Debatte wird das Wortmonstrum noch länger. Jetzt wurde über das Lieferkettensorgfaltspflichten-Abschaffungsgesetz debattiert.
Etwa die Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven hatte erhebliche Einwände gegen den Bürokratieaufwand angemeldet, der durch ein zusätzliches deutsches Gesetz in die Betriebe getragen würde. Seit Anfang 2024 gilt das Lieferkettengesetz auch für Unternehmen mit 1.000 bis 3.000 Mitarbeiter. So kompliziert der Name des Gesetzes klingt, so kompliziert empfinden viele dessen Anwendung.
Für die Kontrolle der eigenen Liefer- und somit Produktionskette brauche es spezielle Datenbanksysteme, für die erhebliche Summen aufgebracht werden müssten. Gleichwohl entstünde ein enormer zusätzlicher Personalaufwand, um die Daten langfristig verifizierbar und nachweisbar zu erheben. Bei Unternehmen, die in ihrem Portfolio etwa ein paar tausend Artikel führen, bedeutet das in der Regel einen Betrag im mittleren sechsstelligen Bereich.
Dabei sei die Wirtschaft angesichts des aktuellen Zeitgeistes ohnehin bei Qualitätssicherung und der Lieferantenwahl bereits aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit aktiv, zumal die Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit sowie der Einsatz beispielsweise gegen Kinderarbeit nicht nur dem global sozialen Gedanken entspreche, stattdessen auch maßgeblich für die eigene Reputation sei. Das will sagen: Die Unternehmen achten soweit möglich aus Image-Gründen auf die verantwortliche Einhaltung der Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes.
Das Paradoxe daran war allerdings, dass ein solches Gesetz bereits auf EU-Ebene geschafften wurde, wobei die europäische Richtlinie Mitte 2026 letztgültig in Kraft tritt. Vor diesem Hintergrund wurde mit vielfach blankliegenden Nerven gefragt, weshalb es ein weiteres deutsches Gesetz geben soll. Die neue Regierung will laut Koalitionsvertrag nun das deutsche Gesetz zu Lieferketten abschaffen und durch ein neues Gesetz ersetzen, das die europäische Richtlinie für Lieferketten umsetzt. Somit wird ein europäisches Lieferkettengesetz für den Schutz von Menschenrechten und Umwelt in nationales Recht umgesetzt.
Indes die SPD mit Finanzminister Lars Klingbeil das Lieferkettengesetz auf EU-Ebene beibehalten will, sind die Grünen für Vereinfachung, aber gegen eine Deregulierung. Zudem betonen die Grünen, viele Unternehmen lebten die Verantwortung längst. Die AfD schießt – wie von vielen nicht anders erwartet – übers Ziel hinaus, will das deutsche Gesetz sofort abschaffen und mit der Umsetzung der europäischen Richtlinie bis zum letztmöglichen Zeitpunkt Mitte 2026 warten.
So verlautbarte, „(…) man könne den Unternehmen mal eine Verschnaufpause geben.“ Also alles aussetzen und aussitzen, bis es nicht mehr anders geht. Diejenigen, deren Menschenrechte bei der Produktion missachtet werden, die Kinder, die unter teils unmenschlichen und unwürdigen Bedingungen arbeiten müssen, und auch die Natur werden sich über eine solche von der AfD initiierte „Verschnaufpause der Unternehmen“ sicherlich nicht freuen. Schließlich bedeutet das übersetzt nichts Geringeres, als dass ihnen eben nicht geholfen wird. Abzuwarten bleibt, inwieweit sich der Vorstoß der AfD vor diesem Hintergrund zum sozialen und ökologischen Desaster mit Ansage entwickelt wird.
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((Beitragsbild oben: Plenarsaal Deutscher Bundestag in Berlin))
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