„Lehrbücher der Chemie müssen umgeschrieben werden“ – Wissenschaftlern der Universität Bremen gelingt es erstmals ein Nitren erfolgreich zu isolieren

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Wissenschaftler der Universität Bremen haben zum ersten Mal erfolgreich ein Nitren isoliert, eine chemische Verbindung, die bisher als nicht isolierbar galt. Nicht nur für die Grundlagenforschung ist diese Entdeckung von großer Bedeutung, auch für die Industrie birgt sie Potenziale.

Bei einem Nitren, handelt es sich um eine chemische Verbindung, die ein Stickstoffatom enthält, das nur sechs Elektronen in seiner äußeren Schale hat. Normalerweise hat Stickstoff acht Elektronen, also sind Nitrene sehr instabil und reaktiv, weil das Stickstoffatom sozusagen „unzufrieden“ ist und nach Möglichkeiten sucht, mehr Elektronen zu bekommen.

Trotz dieser Instabilität sind Nitrene in der Chemie sehr nützlich. So können sie beispielsweise dafür genutzt werden funktionelle Gruppen an Oberflächen von Materialien zu binden, und kommen daher etwa bei der Herstellung von Spezialmaterialien oder in der Biotechnologie zum Einsatz.

„Schutzschild“ macht Isolierung möglich

Durch ihre Instabilität und ihren „Hunger“ nach einer Reaktion mit anderen Stoffen galten Nitrene bisher als nicht isolierbar. Der Durchbruch an der Universität Bremen gelang, indem die Wissenschaftler eine Art Schutzschild um das reaktive Stickstoffatom bauten, das es vor anderen Stoffen in der Umgebung schützt.

„Bildlich gesprochen, haben wir zwei Wände um das reaktive Stickstoff-Atom aufgebaut, die es abschirmen“, erklärt Professor Beckmann, Leiter des Forschungsteams. Chemiker nennen diesen Schutzmechanismus kinetische Stabilisierung.

Um die genaue Struktur des isolierten Nitrens zu bestimmen, verwendeten die Forscher eine spezielle Methode namens Röntgenstrukturanalyse. Dabei stellte sich heraus, dass das Stickstoffatom in diesem Fall nur mit einem einzigen Kohlenstoffatom verbunden ist, während Stickstoff normalerweise drei Verbindungen eingeht. „Diese einzigartige Struktur verleiht dem Nitren besondere magnetische Eigenschaften, die als Paramagnetismus bekannt sind“, so Professor Beckmann.

Blick durch ein Mikroskop: zu sehen sind die gebildeten Kristalle des neu entdeckten Nitrens. (Foto: Universität Bremen)

Effizientere Reaktionen durch stabile Nitrene

Die Bedeutung dieser Entdeckung geht weit über die Grundlagenforschung hinaus. Stabile Nitrene könnten als neuartige Bindungspartner in homogenen Katalysatoren, etwa in der chemischen Industrie, eingesetzt werden, um chemische Reaktionen effizienter zu gestalten und Energie zu sparen.

Interdisziplinäre Forschung war Schlüssel zum Erfolg

„Unsere Entdeckung ist ein großer Erfolg für die Grundlagenforschung. Die Lehrbücher der Chemie müssen umgeschrieben werden“, erklärt Professor Beckmann. „Wir haben gezeigt, dass es möglich ist, diese hochreaktiven Verbindungen im Labor zu zähmen. Dies wird nicht nur unser Verständnis der Chemie verbessern, sondern hat auch das Potenzial, neue innovative Katalysatorsysteme zu entwickeln.“

Der Schlüssel zum Erfolg war die interdisziplinäre Forschung an der Universität Bremen, wie Beckmann betont. „Der Ursprung liegt zwar in der Chemie, aber erst die Zusammenarbeit mit den Geo- und Materialwissenschaften hat es uns ermöglicht, die magnetischen Eigenschaften zu verstehen und letztendlich diese revolutionäre Entdeckung zu machen.“

Die Entdeckung wurde in der renommierten Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht. Autoren der Studie sind neben Professor Beckmann: Marvin Janssen, Thomas Frederichs, Marian Olaru, Enno Lork, Emanuel Hupf.

 

Bild ganz oben (v.l.): Emanuel Hupf, Jens Beckmann und Marvin Janssen im Chemielabor der Universität Bremen im Gespräch über deren neuste Entdeckung, das erste isolierte Nitren.

Foto: Universität Bremen / Annemarie Popp

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