Land Bremen braucht tragfähige Strategie zur Arbeitsförderung
Auf Einladung der Zentralstelle der Landesfrauenbeauftragten haben Vertreterinnen von vier Bremen Trägern exemplarisch darüber berichtet, welche konkreten Auswirkungen fehlende finanzielle Mittel auf die Arbeitsmarktintegration von Frauen in Bremen und Bremerhaven haben.
Im Land Bremen kommt es laut der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) durch die Kombination aus weniger Arbeitsgelegenheiten des Jobcenters, den Wegfall von Fördermitteln aus dem Europäischen Sozialfonds sowie Kürzungen bei Sprachkursen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu drastischen Finanzierungslücken bei der Beschäftigungsförderung.
Da in den kommenden Jahren weitere Angebote enden oder reduziert werden müssen, sei das konkrete Ausmaß aktuell noch nicht vollständig abzusehen.
Dass der Schuh aber jetzt schon drückt, haben Doris Salziger, Geschäftsführerin von Frauen Arbeits Welten gGmbH (FAW), Monica Kotte, Projektleitung der Zentralen Frauenberatungsstelle „Zukunft im Beruf“ (ZIBnet) beim Arbeitsförderungs-Zentrum im Lande Bremen GmbH (afz), Claudia Schlosser, Geschäftsführung Mütterzentrum Osterholz-Tenever e.V und Rosi Leinfelder, Geschäftsführung des Paritätischen Bildungswerkes (PBW) am 21. Januar bei einer Pressekonferenz der ZFG unmissverständlich klar gemacht.
Weniger Unterstützung und Beratung
„Uns haben die Finanzierungseinschnitte eiskalt erwischt: kurzfristig fallen bei FAW 54 Prozent der Mittel weg“, berichtete Doris Salziger. Seit über 20 Jahren sei die Berufsberatung der Frauen Arbeits Welten gGmbH über den Europäischen Sozialfonds finanziert worden. In dieser Zeit habe man tragfähige Strukturen aufgebaut und kenne die Bedarfe der Zielgruppe genau.
„FAW begleitet so jährlich circa 600 Frauen auf ihrem Weg in Qualifizierung und Beschäftigung. Mit weniger Mitteln, werden entsprechend weniger Frauen Unterstützung und Beratung erhalten können“, so Salziger.
Kleine Träger sind „wichtige Beschäftigungsgeber im Land Bremen“
Monica Kotte gab an, dass gerade in einer strukturschwachen Region wie Bremerhaven viele Frauen, insbesondere Alleinerziehende und Frauen mit Migrationshintergrund, auf niedrigschwellige Unterstützungsangebote angewiesen seien, um Wege in den Arbeitsmarkt zu finden.
„Diese bieten wir an. Doch auch beim afz entfallen Mittel in Höhe von rund 50 Prozent“. So hätten vier von sieben Frauenprojekten beendet werden müssen, „über 15 Kolleginnen mussten kurzfristig gehen. Nächstes Jahr werden weitere hinzukommen. Es darf nicht vergessen werden, dass die Sozialwirtschaft, darunter viele kleine Träger wie wir, auch wichtige Beschäftigungsgeber im Land Bremen sind“, betonte Kotte.
Unterstützung von Frauen und Integration eng miteinander verwoben
Im Mütterzentrum Osterholz-Tenever e.V. werde laut Claudia Schlosser durch Angebote wie Sprachkurse mit Kinderbetreuung, Beratungsangebote sowie Frauengruppen nicht nur ein Beitrag für den Einstieg der Frauen in den Arbeitsmarkt geleistet, sondern generell für die Integration von Frauen mit Migrations- und Fluchthintergrund.
Schlosser dazu: „Das sind zwei Seiten einer Medaille, die eng miteinander verwoben sind. Beides ist zudem wichtig für eine gute Sozialstruktur in den Quartieren. Sprachkurse mussten wir bereits einstellen, der Fortbestand von niedrigschwelligen Beratungen sowie Qualifizierungsangeboten ist gefährdet.“
Paradoxe Verhältnisse
Unterdessen sprach Rosi Leinfelder von einem Paradoxon: „Bremen braucht dringend mehr Personal in den Kitas, insbesondere ausgebildete Erzieherinnen. Nun wird ausgerechnet bei der erfolgreich laufenden Maßnahme ‚Wege in Beschäftigung‘ ein zentrales Modul (Pro Kita II), also das Herzstück des Programms, ab Mitte 2025 nicht mehr finanziert.“
Über das Modul konnten die teilnehmenden Frauen bisher die erforderliche Praxiserfahrung erwerben, die zur Aufnahme einer Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin notwendig ist. „Wir können nun keine neuen Teilnehmerinnen mehr aufnehmen.“
„Politik muss daher dringend handeln“
„Gerade betroffen sind Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf, darunter viele Frauen mit Migrationshintergrund sowie Alleinerziehende. Ohne die Angebote werden sie es noch schwerer haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“, fasste Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm die Auswirkungen der fehlenden finanziellen Mittel auf die Bremer Träger zusammen.
Ihre Berichte seien alarmierend. „Statt zielgerichtete Arbeitsmarktpolitik befürchten wir einen Kahlschlag ungekannten Ausmaßes. Die Politik muss daher dringend handeln und auch mit Landesmitteln gegensteuern“, so Wilhelm.
Tragfähige und langfristige Strategie benötigt
Bremen befindet sich in einem Sanierungsprogramm, daher seien weitere EU-Mittel aktuell nicht absehbar und der Bundeshaushalt frühestens im Herbst zu erwarten.
„Die aktuelle Situation im Land Bremen erfordert daher eine sorgfältige Analyse dahingehend, welche Maßnahmen die gewünschten Erfolge für die jeweilige Zielgruppe erzielen und welche Strukturen in Bremen und Bremerhaven unbedingt erforderlich sind, um Frauen in allen Quartieren zu erreichen, sie an den Arbeitsmarkt heranzuführen und langfristig in Beschäftigung zu bringen“ so die Landesfrauenbeauftragte weiter.
Bremen brauche also eine langfristige arbeitsmarktpolitische Strategie und darin eine klare frauenpolitische Perspektive. Dazu müssten zentrale Strukturen über Landesmittel langfristig abgesichert werden.
„Träger sollten bei der Akquise von Drittmitteln vom Land begleitet und unterstützt werden. Die Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik muss zudem in einem transparenten Beteiligungsprozess erarbeitet werden“, fordert Wilhelm.
Arbeitsförderung wirke sich auf die gesamte Gesellschaft aus
Hinzu komme der ZGF zufolge, dass die arbeitsmarktpolitischen Dienstleister (Beschäftigungs- und Weiterbildungsträger) mit ihren Angeboten auch für eine soziale Infrastruktur in den Quartieren beitrügen, die nicht nur den dort Arbeitenden, sondern allen Menschen im Stadtteil zugutekomme.
Wenn Angebote wie beispielsweise Stadtteiltreffs, Mutter-Kind-Gruppen und Sozialkaufhäuser wegbrechen würden, treffe das nicht nur die Beschäftigten und den Träger, sondern mindere die gesellschaftliche Teilhabe der Menschen, die in den Stadtteilen leben erheblich.
Weitere Träger berichten von großen finanziellen Lücken
Nicht alle betroffenen Träger konnten auf dem Podium der Pressekonferenz sein. Von großen finanziellen Lücken seien der ZGF aber unter anderem auch von folgenden Institutionen berichtet worden:
die Waller Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (WaBeQ), Arbeit im Fokus, VIA-Vermittlung und Integration von Alleinerziehenden, die Handwerkskammer bezüglich ihrer Ausbildungsbegleitung sowie das Projekt Gateway beim Deutschen Roten Kreuz.
Bild oben (von links): Rosi Leinfelder, Doris Salziger, Bettina Wilhelm, Monica Kotte und Claudia Schlosser
Foto: ZGF
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