Hanseatische Seemannstradition: 481. Schaffermahlzeit im Bremer Rathaus mit Ehrengast Hendrik Wüst
Zum inzwischen 481. Mal fand am 14. Februar 2025 in der Oberen Rathaushalle in Bremen das traditionelle Schaffermahl statt. Anwesend waren 300 Gäste, darunter jeweils 100 Kapitäninnen und Kapitäne, Mitglieder der Kaufmannschaft sowie geladene nationale und internationale Gäste. Die Kapitäne sammelten wieder Spenden für das Haus Seefahrt und begrüßten als diesjährigen Ehrengast den nordrhein-westfälischen Regierungschef Hendrik Wüst.
Der Ablauf des mehrgängigen Festmahls war minutiös geplant. Bei der jährlichen Schaffermahlzeit sammelt die Stiftung Haus Seefahrt (ursprünglich: „Arme Seefahrt“) Sozialwerk für die Schifffahrt seit 1545 Geld zur Fürsorge in Not geratener Seeleute sowie ihrer Hinterbliebenen, seit einigen Jahren auch zur Unterstützung für Nautik-Studierende.
Die Stiftung unterhält in Bremen-Grohn ein parkähnliches Grundstück. Auf dem Seefahrtshof befinden sich mehr als 35 Zwei- und Dreiraum-Wohnungen, in denen Witwen und Waisen der Seefahrer sowie bedürftige Seeleute im Ruhestand mietfrei wohnen dürfen. Tatsächlich ist die Schaffermahlzeit das älteste fortbestehende und sich alljährlich wiederholende Freundschaftsmahl der Welt.
Ausgerichtet wurde die elitäre Traditionsveranstaltung mit maritim sozialverantwortlicher Intention in diesem Jahr von den drei Schaffern Thorsten Rönner, geschäftsführender Gesellschafter der Heinrich Rönner Gruppe mit Hauptsitz in Bremerhaven, Julius Runge von der Tegro Runge GmbH als zweitem und Alexander Schnitger von der Karl Geuther & Co. Holding GmbH & Co. KG als drittem Schaffer. Neben ihnen repräsentierten sechs Kapitänsschaffer die maritime Tradition.

Von links nach rechts: Julius Runge, 2. Schaffer, Thorsten Rönner, 1. Schaffer, und Alexander Schnitger, 3. Schaffer, als Ausrichter des 481. Schaffermahls
Gerichte exakt so wie vor 481 Jahren
Küchenchef Gefken, nahm Stellung zum möglicherweise ein wenig aus der Zeit gefallenen Fleisch-lastigen Menü: „Das ist nun mal Tradition. Das sind die Lebensmittel, die früher gut auf dem Schiff transportiert werden konnten, die lange haltbar waren.“ Die Gerichte seien exakt so, wie vor 481 Jahren. Der erste Schaffer Thorsten Rönner bei der Kücheninspektion der drei amtierenden Schaffer mit Partnerinnen und Küchenchef Jörn Gefken zu den Medien: „Auch wenn Sie nicht hier wären, würde ich sagen: exzellent.“
Hohe Polizeipräsenz, verschärftes Sicherheitkonzept
Als diesjähriger Ehrengast gab sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst die Ehre. Bereits beim Übergang vom Haus Schütting über den Marktplatz zum Rathaus gemeinsam mit Bremens Oberbürgermeister Andreas Bovenschulte herrschte allseits gute Laune. So betonte Wüst, dass er sich auf Bremen im Allgemeinen und das Schaffermahl im Besonderen sehr freue. Interessant in dem Zusammenhang war, dass der Übergang in den vergangenen Jahren immer wieder von lautstarken Demonstrationen begleitet wurde, diesmal nicht. Völlig unbehelligt konnte die Gruppe ihren Weg antreten.
Zusammen hing das möglicherweise auch mit der außen und innen sicht- und wahrnehmbaren hohen Polizeipräsenz. Insbesondere vor den Ereignissen etwa in München, Aschaffenburg und Magdeburg hatten die Ordnungshüter ihr Konzept nochmals geschärft. Mit welchen konkreten Maßnahmen genau, behielten die Polizistinnen und Polizisten aus nachvollziehbaren Gründen für sich.

Hendrik Wüst u.a. mit Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte und Fritz A. Grobien, Verwaltender Vorsteher vom Haus Seefahrt
Anschließend trug sich der Ehrengast in der Wandelhalle des Rathauses in das Goldene Buch der Freien Hansestadt Bremen ein. Der Andrang der Medien war wie üblich immens. Nur verständlich, schließlich steht der Eintrag für die partei- und meinungsübergreifende Verbundenheit und ist für alle Beteiligten eine große Ehre.
Zwölf meinungsstarke Reden, sechs klassische Gänge
Insgesamt zwölf Reden wurden zwischen, vor und nach den Gängen gehalten, von denen insbesondere der Beitrag des NRW-Ministerpräsidenten mit Spannung erwartet wurde, wobei er mit gewohnt staatsmännischer Noblesse begann: „Zum ersten Mal darf jetzt ein Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen als Ehrengast an der traditionsreichen Schaffermahlzeit teilnehmen – das ist eine wirklich besondere Ehre, über die ich mich sehr freue.“
Wüst betonte Deutschlands Rolle als Exportnation und erklärte, davon hingen zehntausende Arbeitsplätze und somit der hiesige Wohlstand ab. Die Weltoffenheit, von der die Bremer Kaufleute seit Jahrhunderten geleitet werden, habe auch für das Bundesland Nordrhein Westfalen hohe Priorität. Gleichwohl verwies er auf die gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Realitäten.
Befragt zum Anschlag in München vom vergangenen Donnerstag verwies Wüst darauf, dass den Demokraten der Mitte und insbesondere der kommenden Bundesregierung die Aufgabe zukomme, die stimmigen Antworten zu den Themen Sicherheit und Beendigung irregulärer Migration zu geben.
„Das Erstarken der politischen Ränder ist eine Gefahr für diese Weltoffenheit und damit auch für Wohlstand, Arbeitsplätze und soziale Sicherheit.“ Sein mit einer nicht zu überhörenden Warnung verbundenes Fazit: „Nur ein weltoffenes Deutschland bleibt erfolgreich und ein starkes Industrieland.“ Trotz der in wenigen Tagen anstehenden vorgezogenen Bundeswahl blieb Parteipolitik dem noblen Anlass entsprechend außenvor.
Rückwärtsgewandt oder zeitgemäß aktuell
Dass eine Jahrhunderte alte Tradition von Beobachtern zuweilen auf den aktuellen Zeitgeist hinterfragt wird, liegt in der Natur der Sache. Thorsten Rönner zum Eindruck der Rückwärtsgewandtheit oder zeitgemäßen Aktualität des Schaffermahls: „Was macht uns aus? Auch unsere Geschichte macht uns aus.“ Er sei ein maritimer Mensch und gerade dieses Festmahl zwischen Kapitänen und Wirtschaft sei für ihn etwas Wichtiges und gehöre insbesondere auch zu Bremen.
Die Veranstaltung bleibt die wichtigste Einnahmequelle der Stiftung. Auch in Zukunft wird sie von neuen Schaffern organisiert – die Gastgeber für 2026 und 2027 stehen bereits fest: Es sind Dirk Zeppenfeld, Nadine Kloska und Dirk Rogge im nächsten Jahr sowie André Grobien, Kerstin Schwimmbeck und Hermann Bosse. Und auch in den Folgeveranstaltungen werden zum Abschluss wieder die typischen Tonpfeifen geraucht. Irgendwie sind ja alle ein wenig sturmerprobte Seeleute.
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