Gewaltschutzambulanz am Klinikum Bremen-Mitte zieht erste Bilanz: Starke Nachfrage
Vor einem halben Jahr wurde am Klinikum Bremen-Mitte eine Anlaufstelle für die rechtsmedizinische Dokumentation von Verletzungen nach Gewaltdelikten eingerichtet. Seitdem haben bereits über 90 Gewalt-Betroffene die Gewaltschutzambulanz kontaktiert.
Um auf das seit einem halben Jahr bestehende Angebot aufmerksam zu machen, haben Dr. Saskia Etzold, ärztliche Leiterin der Gewaltschutzambulanz, und ihre Kollegin, Case-Managerin Ramona Rohlwing, bereits über 13.000 Informationsmaterialien in Bremen und Bremerhaven verschickt und verteilen lassen, sowie über 50 Vorträge gehalten.
Hauptaufgabe der Gewaltschutzambulanz ist es, nach Gewaltdelikten den Sachverhalt und die verursachten Verletzungen schriftlich und fotografisch zu dokumentieren und sie so für einen etwaigen Straf- oder zivilrechtlichen Prozess zu sichern. Dies ist auch vertraulich, also ohne eine Anzeige, möglich.
Anschließend werden die Dokumentationen für bis zu zehn Jahre aufbewahrt, sodass sich das Opfer auch noch zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Anzeige entschließen kann.
Rohlwing übernimmt in der Gewaltschutzambulanz die Verweisberatung und die Anbindung der Betroffenen an Beratungsstellen, während Dr. Etzold für die rechtsmedizinische Untersuchung und Fotodokumentation verantwortlich ist.
Räumliche Nähe zur Notaufnahme von Vorteil
Seit Einführung der Gewaltschutzambulanz haben bereits über 90 Gewalt-Betroffene Kontakt aufgenommen. „Das sind mehr, als wir erwartet hatten“, so Dr. Etzold.
Am Klinikum Bremen-Mitte arbeitet sie eng mit den Kollegen der Gynäkologie und dem Eltern-Kind-Zentrum Prof. Hess zusammen, die am Standort ähnliche Angebote für Opfer von sexualisierter Gewalt und minderjährige Gewaltbetroffene anbieten. Mit der Gewaltschutzambulanz werden diese Strukturen zugunsten erwachsener Betroffener häuslicher Gewalt, der zahlenmäßig größten Opfergruppe, komplettiert.
„Diese enge Kooperation hat sich als großer Vorteil herausgestellt, weil wir alle Betroffenen hier an einem Ort untersuchen können“, so Etzold. Ebenso sei die räumliche Nähe zur Notaufnahme des Klinikums von Vorteil, weil einige der Betroffenen so schwer verletzt seien, dass sie medizinische Ersthilfe bräuchten.
Geschützter Raum für Betroffene – Frauen machen großen Anteil aus
In der Regel melden sich die Gewalt-Betroffenen an der Information in der Zentralen Notaufnahme und werden dort von Rohlwing abgeholt. Dann werden die nächsten Schritte in geschützten Räumlichkeiten in Ruhe besprochen.
„Viele Frauen erzählen hier zum ersten Mal ihre Geschichte“, so Rohlwing. So seien von den über 90 gewaltbetroffenen Personen ein Großteil Frauen gewesen. Aber auch Männer hätten sich untersuchen und dokumentieren lassen.
„Wir wollen den Betroffenen einen geschützten Rahmen und die Möglichkeit geben, die erlittene Gewalt dokumentieren zu lassen“, betont Dr. Etzold.
Alle Altersgruppen vertreten
Insgesamt betrachtet habe es in der Gewaltschutzambulanz seit ihrer Einführung für alle Altersgruppen – zwischen wenigen Wochen und 65 Jahren – rechtsmedizinische Untersuchungen gegeben.
Minderjährige Gewaltbetroffene werden im Eltern-Kind-Zentrum Prof. Hess umfassend versorgt. Dort wird Dr. Etzold für die rechtsmedizinischen Untersuchungen hinzugezogen und fertigt die Gutachten an.
1,2 Millionen Euro für Aufbauphase
Ausdrücklich lobt Dr. Etzold die Zusammenarbeit mit den Netzwerken für Betroffene von Gewalt wie Beratungsstellen und Frauenhäuser, dem Amtsgericht und der Polizei. „Das Hilfenetzwerk hat uns sehr gut aufgenommen“, sagt die Fachärztin für Rechtsmedizin.
Finanziert wird die Gewaltschutzambulanz von der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz. Es handelt sich bei diesem Projekt um die größte Maßnahme des Bremer Landesaktionsplans „Istanbul-Konvention umsetzen – Frauen und Kinder vor Gewalt schützen“. Für die Aufbauphase bis 2026 werden 1,2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Bei der Istanbul-Konvention handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Deutschland hat diesen Vertrag 2017 ratifiziert. Seitdem sind landesweit neue Angebote geschaffen oder bestehende erweitert worden.
Kontaktaufnahme Gewaltschutzambulanz
Für eine Terminvereinbarung ist die Gewaltschutzambulanz telefonisch montags bis freitags zwischen 8:30 und 15 Uhr unter der Telefonnummer (0421) 497 73920 erreichbar. Darüber hinaus kann auch per E-Mail unter gewaltschutzambulanz@gesundheitnord.de Kontakt aufgenommen werden.
Weitere Informationen sind verfügbar unter www.gesundheitnord.de/gewaltschutzambulanz.
Symbolbild: Die Gewaltschutzambulanz ist ein Projekt im Rahmen des Bremer Landesaktionsplans „Istanbul-Konvention umsetzen – Frauen und Kinder vor Gewalt schützen“.
Foto: AdobeStock / Rainer-Fuhrmann









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