Flughafen Bremen bekommt Supermarkt mit personalfreiem Konzept: Gut für Reisende- fragwürdig für den Einzelhandel
Im Bremer Flughafen Hans Koschnick eröffnet rechtzeitig zur frühen Reisesaison ein Supermarkt – kurioserweise vollkommen ohne Personal. Aufgrund des speziellen Konzeptes und der Lage unmittelbar im Erdgeschoss des Terminals – an der Stelle befand sich zuvor der Kiosk „Relay“ – ist er im Gegensatz zum herkömmlichen Einzelhandel berechtigt, rund um die Uhr und auch an Sonntagen zu öffnen.
Bereits seit Jahren verfolgt der Airport Hans Koschnick das Ziel, einen Lebensmittelmarkt im Terminal zu etablieren. Reflektiert werden sollten dadurch zugleich die Wünsche der an- und abfliegenden Fluggäste, ebenso allerdings auch die der Studierenden und Beschäftigten in der Airport-Stadt. Zum Einzugsgebiet zählen über die Touristen und Geschäftsreisenden hinaus rund 21.000 Beschäftigte in den rund 600 angrenzenden Unternehmen.
Aufgenommen wurde die lange verfolgte Idee 2020 in das sogenannte Bremer Zentren- und Nahversorgungskonzept. Somit wurde erneut eindrucksvoll demonstriert, mit welcher Geschwindigkeit die bürokratischen Mühlen mahlen. Doch nun ist es soweit, allerdings anders, als erwartet oder gewohnt. Auf der positiven Seite steht, dass der Supermarkt mit rund 1.500 Artikeln und einem hauptsächlich auf Lebensmittel und Reisebedarf abzielenden Angebot zu sämtlichen Öffnungszeiten des Terminals für die Kundinnen und Kunden zur Verfügung steht.
Auf der kuriosen Kehrseite der Medaille findet sich die Tatsache, dass abgesehen von der Warenverräumung keinerlei Personal vorhanden sein wird. Denn die Kunden scannen und bezahlen ihre Artikel eigenständig. Zudem war bislang die Rede davon, dass der Markt 24/7 rund um die Uhr geöffnet haben soll. In dieser Hinsicht mag sich im wahrsten Sinne des Wortes der verfrühte Fehlerteufel eingeschlichen haben. Das Terminal jedenfalls ist eben nicht 24 Stunden täglich zugänglich.
Die Reisenden werden sich freuen, sich bei der Ankunft vor Ort mit den benötigten Artikeln eindecken zu können, bzw. vor dem Abflug noch fehlende Utensilien zu erstehen. Fliegen ist für manche eine Notwendigkeit, für andere noch immer ein Traum. Dennoch ist den Ankommenden nicht selten die Erschöpfung der Reise anzusehen. Umso besser scheint es also, dass diese Menschen äußerst unkompliziert auf das Warenangebot zugreifen können.
Für den umliegenden Einzelhandel hingegen bleiben aufgrund der Ausnahmeregelung hinsichtlich der Öffnungszeiten am Sonntag wettbewerbsrechtliche Fragen offen. Gleichwohl rumort das Gefühl, die nächste Stufe in der Automatisierung sowie unpersönlichen Personaleinsparung erreicht zu haben. So wurde in den vergangenen Jahren in Supermarkt- und Kaufhausketten die Variante der vermeintlich innovativen Schnellkassen eingeführt, bei denen die Kunden durch eigenhändiges Scannen die Serviceaufgabe der Kassiererinnen und Kassierer übernehmen, den Konzernen also ohne finanzielle Gegenleistung im Folgeschluss ihre Arbeitsleistung zur Verfügung stellen. Wird dieses Konzept weiterverfolgt, können die Supermärkte in absehbarer Zukunft auf Personal verzichten. Dass dadurch die Preise fallen würden, ist kaum vorstellbar.
Der neue – automatisierte – Supermarkt am Bremer Flughafen wird in der kommenden Woche den Betrieb aufnehmen. Abzuwarten bleibt, inwieweit die Verbraucher den Service annehmen werden. Es wäre der erste personalfreie Supermarkt, der dann vermutlich einem gigantischen Automaten in vollkommen neuen Dimensionen gleichen wird. Klar ist, dass der defizitäre Flughafen in seiner Tourismussparte frische Ideen benötigt. Immerhin gab es in den letzten zwei Jahren immer wieder Vorstöße der Grünen, ihn sogar schließen zu wollen. Es könnte ein Baustein für den Take-off in die Zukunft sein, der vielen, aber vermutlich nicht allen schmeckt.
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