Damit Pflegekinder ein zweites Zuhause erhalten: Modellprojekt „elterngeldähnliche Leistungen“ für Pflegeeltern in Bremen eingeführt
Seit Anfang August können Pflegeeltern in Bremen monatlich 850 Euro zusätzlich erhalten, wenn sie Elternzeit für die Aufnahme eines Kindes in Anspruch nehmen. Dadurch sollen Verdienstausfälle zumindest teilweise auszugleichen werden. Zudem soll ein Anreiz geschaffen werden, damit wieder mehr Familien bereit sind, Pflegekinder aufzunehmen. Das Modellprojekt ist zunächst bis Ende 2029 befristet.
„Insbesondere für Säuglinge und Kleinkinder ist es in Bremen schwierig, einen Heimplatz oder eine Pflegefamilie zu finden“, sagt Sozialsenatorin Dr. Schilling, die das Modellprojekt auf Antrag der Bremischen Bürgerschaft eingeführt hat.
„Gleichzeitig geht die Zahl der Familien zurück, die bereit sind, ein Pflegekind aufzunehmen.“ Genau dieser Entwicklung soll die elterngeldähnliche Leistung entgegenwirken.
Pflegeeltern leisten unschätzbaren Beitrag
Zuständig für die Vermittlung von Pflegekindern im Bundesland Bremen ist die gemeinnützige GmbH PiB (Pflegekinder in Bremen). Geschäftsführerin Judith Pöckler-von Lingen betont, dass der Rückgang an Pflegeeltern ein bundesweiter Trend ist, der auch in Bremen große Sorgen bereite. Daher sei die elterngeldähnliche Sonderleistung für Pflegeeltern ein wichtiger Baustein.
„Sie kann ein entscheidender Schritt sein, um mehr Menschen, zum Beispiel auch Alleinerziehende, für diese verantwortungsvolle und sinnstiftende Aufgabe zu gewinnen.“
Nicht zuletzt, weil Pflegekinder besondere Bedürfnisse haben, sie Sicherheit, Geborgenheit und eine stabile Bindungsperson brauchen, würden Pflegeeltern, die den Kindern in schwierigen Lebenslagen ein zweites Zuhause bieten, einen unschätzbaren Beitrag leisten, so die PiB-Geschäftsführerin.
„PiB wird sich auch weiterhin regional aber auch überregional dafür einsetzen, dass die Rahmenbedingungen für Pflegeeltern verbessert werden, um Pflegekindern die bestmöglichen Entwicklungschancen und eine chancenreiche Zukunft zu ermöglichen.“
Anspruchsvolle Aufgabe geht mit finanziellen Herausforderungen einher
Auch Bianca Vorndamme vom Sprecherrat Vollzeitpflegeeltern in Bremen sieht in der elterngeldähnlichen Leistung einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung:
„Gerade im ersten Jahr stehen Pflegeeltern nicht nur vor finanziellen Herausforderungen – etwa, wenn ein Einkommen wegfällt –, sondern auch vor der anspruchsvollen Aufgabe, eine stabile und vertrauensvolle Bindung zum Pflegekind aufzubauen.
Diese Bindung erfordert sehr viel Zeit, die ihnen fehlt, wenn sie ’nebenbei‘ arbeiten müssen.“ Viele Eltern, vor allem Alleinerziehende, würden diesen Spagat bewältigen, „indem sie an ihr Erspartes gehen“.
Bianca Vorndamme weiter: „Wir hoffen, dass die elterngeldähnliche Leistung nicht nur ein Modellprojekt bleibt, sondern auch dazu beiträgt, mehr Menschen für die verantwortungsvolle Aufgabe der Pflegeelternschaft zu gewinnen, was angesichts des steigenden Bedarfs an Pflegeplätzen dringend notwendig ist.“
Elterngeld für Pflegeeltern soll bundesrechtlich verankert werden
Wie Senatorin Schilling betont, setzte ihr Ressort alles daran, dass das Elterngeld für Pflegefamilien bundesrechtlich verankert wird. „Dazu haben wir einen Beschluss in der Jugend- und Familienministerkonferenz erwirkt. Aber wir brauchen schon heute zusätzliche Pflegefamilien. Daher starten wir das Projekt zunächst einmal als Modellversuch und finanzieren es aus unserem kommunalen Haushalt.“
Die elterngeldähnliche Leistung zielt auf die hauptbetreuende Pflegeperson von Kindern unter acht Jahren. Sie gilt zunächst nur in der Stadt Bremen, eine Ausweitung auf Bremerhaven wird geprüft. Die 850 Euro werden zusätzlich zu den pauschalen Pflegegeldleistungen gezahlt, die im Durchschnitt bei 1.900 Euro im Monat liegen.
Vergleichbares Modellprojekt konnte in Hannover Erfolge erzielen
In Hannover hat ein vergleichbares Modell mit elterngeldähnlichen Leistungen dazu geführt, dass sich jährlich sechs bis sieben Familien zusätzlich entschließen, ein Pflegekind aufzunehmen. „Wenn wir das erreichen, können wir zufrieden sein, auch wenn ich mir natürlich mehr wünsche“, sagte Senatorin Schilling.
Die Zahlen in Bremen
In Bremen warten derzeit in der Inobhutnahme oder in einer Übergangspflegefamilie zwölf Kinder unter drei Jahren auf Aufnahme in eine Pflegefamilie oder auf einen dauerhaften Platz im Heim (Stand: 30. April 2024).
Zum Jahresende 2023 haben 533 Kinder in einer Pflegefamilie in Bremen gelebt („Vollzeitpflege“), davon sind 45 erst im Laufe des Kalenderjahres 2023 in eine Familie vermittelt worden. Rund ein Drittel der Kinder sind jünger als drei Jahre. Das geht hervor aus dem Jahresbericht 2023 von PiB, Pflegekinder in Bremen gGmbH, die im Auftrag der Sozialbehörde tätig ist. Nach dem Jahresbericht geht die Zahl der Pflegefamilien seit dem Jahr 2016 beständig zurück, als sie über 600 lag.
Symbolbild: Seit 2016 sind die Zahlen der Familien in Bremen, die bereit sind ein Pflegekind aufzunehem, rückläufig.
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