Bremen Überseestadt – ein Vierteljahrhundert nach den Anfängen: Erfolge und Nachholbedarf
Die Bremer Überseestadt in ihrem heutigen Status feiert 2025 ihr 25-jähriges Bestehen. Entstanden ist sie auf einem mehr als traditionellen Gelände. Einst befand sich dort der Europahafen. Der war aufgrund von struktuellen Veränderungen in der seeseitigen Verladewirtschaft überflüssig geworden und wurde mit rund 3,5 Millionen Tonnen Sand zugeschüttet. Es begann ein Großbau- und Vorzeigeobjekt, wie die Hansestadt Bremen es seither noch nicht gesehen hatte. Im Jahr 2000 wurde vom Bremer Senat die „Entwicklungskonzeption zur Umstrukturierung der Alten Hafenreviere in Bremen“ beschlossen. Seither hat sich viel getan und einiges eben noch nicht getan.
Die Entwicklung hatte sich lange zuvor angebahnt. Bereis im Jahr 1968 hatte im Neustädter Hafen eine der ersten Container-Anlagen Europas den Betrieb aufgenommen. Durch die Container-Abwicklung wurde schrittweise die ehemalige Stückgutverladung weitestgehend abgelöst. Eine Entwicklung, die sich so weltweit neben der immer noch existierenden RoRo-Abfertigung sowie dem Bulk-Betrieb durchziehen sollte. Durch die Beladung und Verschiffung der Güter per Container wurden die Ladezeiten und somit Liegezeiten der Schiffe drastisch reduziert. Der Überseehafen hatte bereits in dieser Hinsicht seinen Sinn verloren und wurde zunehmend unrentabel.
Hinzu kamen mindestens zwei weitere entscheidende Aspekte. So war der Europahafen mit umliegendem Areal spürbar in die Jahre gekommen und konnte seinen maroden Zustand allenfalls noch mit Seemanns- und Hafenarbeiterromantik entschuldigen. Aufgrund des schlechten baulichen Zustands wurde der Europahafen 1991 geschlossen. Darüber hinaus stiegen durch die immer größer werdenden Containerschiffe erstens der Tiefgang und zweitens die TEU-Kapazitäten der Schiffe zusehends an. Immer weniger Häfen konnten von diesen Frachtern angelaufen werden. Der Ausbau der Häfen mitsamt der notwendigen Vertiefung der Weser konnte der Entwicklung nicht standhalten.
Mammutprojekt Transformation zur Überseestadt
Um die Milleniumswende startete dann das Mammut-Projekt, den somit einstigen Überseehafen zur Überseestadt zu transformieren. Obschon bei den Entitäten der Hafenwirtschaft von Reedereien und Schifffahrtsagenturen, von Spediteuren bis zu Stauereibetrieben und nicht zuletzt der Bremer Lagerhaus Gesellschaft durchaus Wehmut mitspielte und bis heute weiterhin mitspielt, wurde sukzessive begonnen, dem ehemaligen Areal – immerhin in einer Größenordnung von rund 300 ha – ein neues und zeitgemäßes Bild zu verpassen. Bremen baute als neues Quartier ein zentrumsnahes Industrie-, Gewerbe- und Wohngebiet.
Insbesondere die Speicher wurden schrittweise in Gewerbe-, Büro- und Wohneinheiten im Industrial-Style umgebaut, wobei der einstige architektonische Charme wenigstens teilweise erhalten werden sollte. Bereits kurz darauf, nämlich im Jahr 2003, wurde der Speicher XI von der Hochschule für Künste bezogen. Mit 403 Metern Länge nach dem U-Boot-Bunker Valentin in Rekum das zweitlängste Gebäude Bremens. Kurz darauf zogen der Großmarkt, zahlreiche Dienstleistungsunternehmen und mehrere Gastronomen in die Überseestadt.

Von Schuppen, Speichern und Kaffeesäcken mit traditionellem Charme – Bildrechte WFB Eva-Christina Krause
Ebenso konnten auch die ersten Anwohner auf dem Areal ein neues Zuhause finden. In unmittelbarer Nähe der Weserpromenade wurde zudem von 2008 bis 2010 der Tower errichtet, im Herbst 2013 eröffnete mit dem GOP Bremen der größte sowie modernste privat finanzierte Varieté-Theater-Neubau Deutschlands seine Pforten. Diverse weitere gastronomische Betriebe folgten. So ging und geht es weiter bis hin zum früheren Kellog-Gelände und darüber hinaus.
Infrastrukturelle Probleme zu spät bedacht
Indes etliche Bewohnerinnen und Bewohner inzwischen realisieren, dass die alltäglich notwendige Infrastruktur etwa mit Einkaufsmöglichkeiten, medizinischer Versorgung, Schulen oder Kindertagesstätten nicht wirklich durchdacht war, stören sich vornehmlich die ansässigen Geschäftsleute an der mangelnden und oftmals problematischen Verkehrsanbindung. Die Sperrungen der naheliegenden Brücken oder der B6 sorgen regelmäßig für verstopfte Straßen.
Zu üblichen Kern- und Geschäftszeiten ist die Überseestadt für die Einpendler schwerlich erreichbar, für die Auspendler ebenso zeitaufwendig zu verlassen. Nicht wenige der ansässigen Mieter von Großraumbüros spielen bereits mit dem Gedanken, die Dependancen in der Überseestadt wieder aufzugeben. Zuweilen beschleicht die Menschen vor Ort das Gefühl, das Neubauprojekt vor der historisch charmanten Kulisse wachse einfach zu schnell und nicht minder komprimiert. Prognostiziert wird, dass die Zahl der 2024 in der Überseestadt lebenden Menschen bis 2030 auf rund 12.000 anwachsen könnte.
Gleichwohl bemängelt wird, dass die elitären Flächen sich soziologisch deutlich von jenen mit Sozialstatus abgrenzen und somit innerstädtische Subkulturen entstehen könnten. Das Problem der Verlagerung illegaler Autorennen in das Gebiet um den Commodore-Johnson-Boulevard ist hinlänglich bekannt. Plakativ ausgedrückt scheinen die Bewohner als auch gewerblichen Nutzer in die Entscheidungsprozesse der Stadtentwicklung nicht ausreichend eingebunden. Das dürfte sich über kurz oder lang ändern, damit die Überseestadt weiterhin ihrem Status als Vorzeigeprojekt von Bremen entspricht.
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((Beitragsbild oben: Vom Überseehafen zur Überseestadt – Bildrechte WFB Bremen))
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