„Andocken“: Bremens Anlaufstelle für junge Obdachlose steht vor dem Aus – Stellvertretende Landesfrauenbeauftragte fordert Fortführung des Projekts
„Andocken“ ist Bremens einzige feste Anlaufstelle für junge obdachlose Menschen zwischen 18 und 25 Jahren. Jetzt muss das Projekt, das vor allem von jungen wohnungslosen Frauen genutzt wird, schließen. Zu „unwirtschaftlich“ war die Ausschreibung des Jobcenters Bremen. Katharina Kunze, stellvertretende Landesfrauenbeauftragte, bezeichnet ein Ende des Projektes als „fatal“.
Junge wohnungslose Frauen haben bei „Andocken“ praktische Hilfen wie Menstruationsartikel und Kleidung erhalten. Zudem wurden sie auf dem Weg in Ausbildung und Arbeit sowie bei der Suche nach sicherem Wohnraum unterstützt. „Es kann nicht sein, dass ein solch essentieller Zufluchtsort für ganz besonders schutzbedürftige Personen geschlossen wird“, betont die stellvertretende Landesfrauenbeauftragte Katharina Kunze.
Wie etwa der „Aktionsplan Hauptbahnhof“ zeige, habe Bremen „den Bedarf an diesen Hilfsleistungen erkannt und nun soll ein etabliertes, wirkmächtiges Projekt nicht weitergeführt werden, das in den vergangenen Jahren für mehr als 60 wohnungslose junge Menschen eine positive Weichenstellung im ihrem Leben bewirkt hat?“, wundert sie sich.
Dies treffe nicht nur die jungen Frauen hart, Bremen verliere damit auch erfahrene Fachkräfte und ein breites Wissen darüber, wie Menschen in in solchen Lebenslagen erfolgreich aufgefangen werden können,
„Unwirtschaftliche“ Ausschreibung
Zunächst wurde das Aus der Beratungsstelle mit der derzeitigen finanziellen Situation des Jobcenters Bremen in Verbindung gebracht, das Träger des Projektes ist. Jetzt wurde bekannt, dass der Grund ein anderer ist: Die Ausschreibung des Jobcenters zur Fortführung des Projekts wurde als „unwirtschaftlich“ aufgehoben, nachdem keiner der Bieter die gewünschten Leistungen zum vorgegebenen Budget in Aussicht stellen konnte.
Eine Ausschreibung mit angepassten Konditionen wurde bisher nicht veröffentlicht. Kunze dazu: „Das ausgeschriebene Budget darf nicht verfallen. Ich appelliere an das Jobcenter Bremen, sich darum zu bemühen, dass es für die Verbesserung der Situation von obdachlosen jungen Menschen eingesetzt wird.
Träger von Maßnahmen könnten zum Beispiel ihr Angebot an das Budget anpassen. Denkbar wäre auch eine beschränkte Ausschreibung, bei der Träger die Möglichkeit haben, Eigenmittel einzubringen. Die soziale Verantwortung des Jobcenters sowie des Senats verlangt es, dafür zu sorgen, dass zumindest die wesentlichen Teile des Angebots von ‚Andocken‘ erhalten bleiben.“
Perspektiven für Betroffene und gewachsene Strukturen sichern
Sollte keine langfristige Lösung für die Fortführung von „Andocken“ gefunden werden, würden in der Folge viele junge Betroffene wieder auf der Strecke bleiben. „Es wäre fatal, die jungen Menschen im Stich zu lassen. Sie sind in einem Alter, in dem sie sehr gute Chancen haben, mit Unterstützung des Hilfesystems neue Wege einzuschlagen und Perspektiven zu entwickeln“, so die stellvertretende Landesfrauenbeauftragte.
„Andocken“ stelle ein wichtiges Bindeglied im System dar, die Arbeit der Anlaufstelle könne von anderen Institutionen der Jugendhilfe oder den Frauenhäusern nicht aufgefangen werden. Ein endgültiges Aus für das Projekt hätte demnach nicht nur massive Auswirkungen für die Betroffenen, sondern auch für das bestehende System.
„Die speziell ausgebildeten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter haben in den vergangenen Jahren eng verzahnt mit Entzugskliniken, dem Zentrum für Schule und Beruf sowie weiteren Stellen im Hilfesystem zusammengearbeitet. Hier geht also um nicht weniger als um den drohenden Verlust gut funktionierender, gewachsener Strukturen. Ich appelliere daher dringend an die Verantwortlichen, eine langfristige Lösung für das Fortbestehen von ‚Andocken‘ herbeizuführen“, so Kunze.
Symbolbild: Sollte die Anlaufstelle wirklich entgültig schließen, ginge jungen obdachlosen Menschen, insbesondere jungen Frauen, eine wichtiges Hilfesystem verloren.
Bildnachweis: iStock / Fertnig
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