Interview mit Achim Reichel – „The Art of German Psychedelic“ im April in Bremen

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Achim Reichel ist seit über 40 Jahren erfolgreich in der Musikbranche tätig. In den 70er Jahren war er musikalisch besonders experimentell unterwegs und entwickelte Musik mit psychedelischen Schwerpunkten. Diese meditativen Lieder feierten in den letzten Jahren eine Art Comeback und derzeit tourt Reichel mit seinem Album „Die grüne Reise“ durch Deutschland. Reichel gab Bremennews anlässlich seines Auftrittes am 13. April in der Glocke ein exklusives Interview.
 
 
 
 
Herr Reichel, erklären sie doch unseren Lesern mal bitte kurz, weshalb sie in den 70er Jahren als „Krautrocker“ bezeichnet wurden und was genau das bedeutet.
 
Die Bezeichnung “Krauts“ geht zurück bis in die Zeit der Segelschifffahrt als es auf Deutschen Schiffen üblich war, gesundheitsgefährdende Mängelerscheinungen, durch den Verzehr von Sauerkraut entgegen zu wirken. Umgekehrt mussten sich die englischen Sailors “Limyes“ nennen lassen, weil ihre Art der Vitaminzufuhr aus täglichem Verzehr von Zitrusfrüchten bestand. Tja, und als “die Krauts“ in den 70ern anfingen interessante Musik zu machen, wurde ihr auf der Insel das Markenzeichen “Krautrock“ verpasst. Es eine Herkunftsbezeichnung und weniger eine eindeutige musikalische Stilrichtung. Es gab Bands, die ebenso gut der Sparte der Rockmusik internationaler Prägung zugerechnet werden konnten, deren Hang zum Psychedelischem, zum frei Assoziativen aber den feinen Unterschied machte. Die 70er Jahre waren eine Zeit, die von einer unbändigen Lust am experimentieren getragen waren und obwohl ich in Deutschland mit meinem Projekt A.R. & machines eher beargwöhnt wurde, gelangte es International zu dem Ansehen richtungsweisend für Trance, Chill Out und Ambient gewesen zu sein. Vielleicht war es im Ausland eher möglich vorurteilsfrei zu urteilen, denn zuhause hing mir noch das Image des Ex-Rattles an. Trotzdem gab es Sternstunden, wie der Live-Auftritt in Germersheim (1972), zu dem sich 65.000 Menschen zusammen fanden.
 
Sie gelten auch als ein Wegbereiter der elektronischen Musik. Welche Instrumente und Hilfsmittel kamen für die Erstellung der Songs damals zum Einsatz?
 
Das tragende Element bei dem Projekt A.R. & machines ist das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine. In meiner Rolle als Gitarren-Virtuose liefere ich meinem Partner AKAI X330D die motivischen Grundlagen, bis die gewandte Maschine, im Multilooping-Verfahren, daraus ein sich selbst begleitendes Gitarren-Orchester generiert, und damit der begleitenden Live-Band die Richtung vorgibt. Bevor Computer-Programme vieles einfacher machten, war bei Studioaufnahmen die Mehrspur-Technik ein unverzichtbares Hilfsmittel.
 

„In der Literatur, Musik und Malerei haben Drogen eine Rolle gespielt“

Hand aufs Herz: Haben Sie in den 70ern Drogen genommen, LSD vielleicht, und wenn ja: Hat für Sie psychedelische Musik einen ähnlichen Einfluss auf Ihren Körper?
 
Es wäre eine historische Einmaligkeit, wenn bei Kunst- und Kulturschaffenden, egal ob in der Literatur, Musik oder Malerei, Drogen nie eine Rolle gespielt hätten. Neu hingegen ist, dass es sich in unseren Tagen nicht mehr auf nur diese Kreise beschränkt.
Was mich betrifft, bin ich da aus der Schusslinie und will die Sorge um die Gesundheit nicht vernachlässigt wissen. Ich fühle mich bei den guten alten Tugenden, wie Yoga, Meditation und Radeln an der frischen Luft, bestens aufgehoben.
 
Der als musikalischer Innovator geltende Roxy-Music-Mitbegründer Brian Eno hat gesagt, Ihr Album „Die grüne Reise“ habe ihn zu seinem Ambient-Klassiker „Another Green World“ inspiriert. Was hat Ihnen das bedeutet?
 
Ein Innovator beglückt den anderen, natürlich hab ich mich darüber gefreut, diesem Mann eine Inspirationsquelle gewesen zu sein und auch darüber, dass er sich mit seiner Wertschätzung nicht hinterm Berg gehalten hat. Außer Brian Eno gibt da auch noch den Musikgelehrten Julian Cope, deren beider Wertschätzung trug einiges dazu bei, dass A.R. & machines auch hierzulande auf neues Interesse stieß. Na und als des Internet ins Spiel kam, da verbreiteten sich die Dinge in Windeseile rund um den Globus ohne dass man eine Ahnung davon hatte.
 
„Die grüne Reise“ aus dem Jahr 1971 erlebte vor kurzem eine Art Revival. Wie erklären Sie sich das?
 
Na ja, (hüstel, hüstel) wie wärs mit: wahre Größe find ihren Weg?!. Was zum Kuriosum beiträgt ist der Umstand, dass all dies geschehen konnte, obwohl die regulären A.R. & machines-Alben, seit 35 Jahren von allen Lieferlisten gestrichen waren. Nachdem Raubkopien für viele zu einem florierenden Geschäft wurden, nur nicht für den Künstler selbst, lieferte mir das einen Grund mehr, endlich eine komplette A.R. & machines Werkschau 1970 bis 74, in Form einer 10 CD-Box inclusive 90-Buchseiten im Großformat mit Fotos und persönlichen Erinnerungen, zu veröffentlichen.
 
Ihre Diskografie besteht aus dutzenden Alben und hunderten Liedern. Woher haben Sie über all die Jahre als Musiker ihre Inspiration bezogen?
 
Das hab ich mich selbst auch schon oft gefragt, insofern kann ich meinem Schicksal nur dankbar sein, dass es mich für den Job auserkoren hat. Auch dafür, zur richtigen Zeit am richtigen Ort, die richtigen Leute getroffen zu haben. Hinzu kam das Glück eines familiären Umfelds, dass dabei half, mich sowohl zu beflügeln als auch den Bodenkontakt zu behalten. Wenn es um Musik ging hatte ich oft den Eindruck, dass es vieles nicht gab, was es hätte geben sollen. Dabei schwirrten mir Melodien durch Kopf, als würden sie darauf warten entdeckt zu werden. Die Ideen fliegen einem nur so zu, und wenn die Antennen dafür vorhanden sind, ist nicht jede Spinnerei sinnlos.
 

„Die Weltstars kochen auch nur mit Wasser“

Mit den „Rattles“ tourten sie mit den „Rolling Stones“ durch England und den „Beatles“ durch Deutschland. Welche bleibenden Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
 
Unterwegs mit diesen Weltstars gewesen zu sein, lädt dazu ein es im Nachhinein zu glorifizieren. Nüchtern betrachtet hat mich zu der ermutigenden Erkenntnis gebracht, dass überall nur mit Wasser gekocht wird.
 
Was hat Sie eigentlich bewogen, sich mit 74 Jahren noch einmal den Tourstress anzutun?
 
Von Stress kam dabei keine Rede sein, mit 7 Konzerten bleiben wir noch weit unter der Grenze zum Tourneekoller. Außerdem ist das Ganze eine zu selten-schöne Fügung des Schicksals, mit einem Musikprojekt, das in den 70ern seiner Zeit voraus war, und nach dem triumphalen Come-Back-Konzert in der Elbphilharmonie, von der Kritik für “so modern, wie es moderner nicht sein kann“ befunden wurde. Das wirkte wie Balsam auf alten Wunden, und mein Musiker-Ego durfte sich darüber freuen, die Renaissance seines einst verkannten Werkes noch miterleben zu dürfen.
 

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